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Medienberichterstattung

Pressekonferenz, bei der eine Frau Notizen macht
Unabhängig davon, ob Sie Opfer oder Angehörige(r) eines Opfers sind oder in irgendeiner Weise von einem Zwischenfall betroffen sind, werden Sie zweifellos mit Fragen der Medien konfrontiert werden. Denken Sie gut darüber nach. Sie sind nicht verpflichtet, hierauf einzugehen.

Argumente und Ratschläge

Argumente FÜR die Berichterstattung in den Medien

  • Ihre Version des Sachverhalts bekanntmachen
  • Korrekte und respektvolle Informationen verbreiten
  • Zeugenaussagen von Personen, die nicht betroffen sind oder die schlechte Absichten haben, vermeiden
  • Ihre Trauer teilen
  • Eine Botschaft vermitteln oder einen Aufruf starten
  • Im Nachhinein Unterstützung finden beim Anschauen der Berichte über das Ereignis finden

Meine erste Reaktion war, die Presse herauszuhalten. Das ist Privatsache. Ich bin schon öfter in der Zeitung und im Fernsehen gewesen, aber das war in einem beruflichen Rahmen und mit meist angenehmen Neuigkeiten verbunden. Den ersten guten Rat habe ich von unseren Freunden Roman und Laurence erhalten. Sie haben selber eine kleine Tochter verloren: Sie ist auf offener Straße erschossen worden, weil ihre Babysitterin Afrikanerin war. Sie erzählten uns, dass sie ein gespaltenes Gefühl hatten: Morgens jagst du die Presse weg und abends suchst du nach Bildern in den Nachrichtensendungen.

Meine Frau Kris hat anders reagiert als ich. Wenn sie hörte, dass etwas darüber in den Nachrichten gesagt wurde, wollte sie es sehen. Wir haben uns die Bilder gemeinsam angesehen und ihr hat das gut getan. Für sie war es wichtig, dass die Angelegenheit nicht unbemerkt vorbeiging. Jeder sollte davon wissen.

Guillaume Van der Stighelen, Vater von Mattias. Mattias Van der Stighelen starb in der Nacht vom 2. auf den 3. März 2011, als er bei einer Studentenparty in ein Kellerloch fiel.

Argumente GEGEN die Berichterstattung in den Medien

  • Achtung der Privatsphäre
  • Schwierigkeit, eine Grenze zu ziehen (z. B. zu viele Details geben oder noch weitgehendere Interviews geben)
  • Schwierigkeit, Ihre Botschaft richtig zu vermitteln
  • Wut
  • Journalisten, die die Regeln der Berufsethik nicht einhalten
  • Betroffene Kinder. Minderjährige, die in eine gerichtliche Angelegenheit hineingezogen sind, dürfen nicht in den Medien erscheinen.

Wenn Sie mit den Medien reden MÖCHTEN:

  • Informieren Sie sich über die Modalitäten des Interviews:
    • Möglichkeit, den Text des Interviews nachlesen zu dürfen
    • Möglichkeit, einen Teil des Interviews nicht auszustrahlen
    • Foto- und Videomaterial. Besorgen Sie den Medien eventuell selber ein schönes Foto des Opfers.
  • Seien Sie gewappnet. Bereiten Sie das Interview sehr gut vor.
  • Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Nehmen Sie sich Zeit.
  • Reden Sie nur mit Berufsjournalisten. Informieren Sie sich über das Nachrichtenmedium, für das sie arbeiten.
  • Wählen Sie eventuell einen Sprecher, der Sie in den Medien vertritt.

Die Medien sind unserer Bitte nachgekommen. Die Situation war ziemlich außergewöhnlich: Ein Fernsehsender war dabei, die Suchaktion zu filmen, als mein Bruder umgekommen ist. Für ihre Nachrichtensendungen haben sie die Bilder mit größter Sorgfalt und sehr respektvoll ausgewählt. Zu keinem Zeitpunkt haben sie Dinge gezeigt, die meine Mutter und unsere Familie zusätzlich geschmerzt haben.

 Jede Situation ist anders, aber wenn ich den Leuten einen kleinen Rat geben darf, dann den, dass man sich für Kontakte mit den Medien Hilfe suchen sollte. Das kann ein Freund oder Bekannter sein, der sich als Sprecher zur Verfügung stellen möchte; das kann auch ein Pressedienst sein, wenn man mit einer Organisation oder einem Unternehmen zu tun hat. Diese Unterstützung kommt am besten von jemandem, der von all diesen überwältigenden Emotionen Abstand nehmen kann.

Philippe, Zwillingsbruder von Olivier Rouxhet, Taucher beim Zivilschutz. Er starb während eines Rettungseinsatzes.

Zu beachtende Punkte

Abmachungen mit den Medien treffen

  • Grenzen Sie Ihre Mitteilung ein, bereiten Sie Ihre Kommunikation gut vor.
    • Bestimmen Sie im Voraus, was Sie ansprechen möchten.
    • Wenn Sie mit Journalisten reden möchten, heißt das nicht, dass Sie ohne weiteres auf alle Fragen antworten müssen.
    • Legen Sie Ihre Grenzen fest.
    • Reden Sie nicht über andere. 
  • Liefern Sie selber spontan Informationen oder Fotos
    • So stellen Sie sicher, dass die richtigen Informationen auf respektvolle Weise verbreitet werden.
    • Verbreiten Sie selber vorzugsweise schöne Fotos des Opfers, ehe weniger vorteilhafte Bilder auftauchen.
  • Bilder
    • Lassen Sie die Medien ihre eigenen Bilder machen, sonst besteht das Risiko, dass heimlich gemachte Bilder verbreitet werden.
    • Sprechen Sie sich mit Fotografen und Kameraleuten ab.
    • Falls Sie nicht möchten, dass das Foto des Opfers veröffentlicht wird, können Sie die Medien zur Beachtung von Artikel 10 des Gesetzes über das Urheberrecht auffordern. Zusammengefasst bedeutet dies, dass die Medien Ihr Foto nur mit Ihrer ausdrücklichen Zustimmung oder bis 25 Jahre nach Ihrem Tod mit der Zustimmung Ihrer Erben (im Allgemeinen Ihrer Familie) veröffentlichen dürfen.
  • Anonym bleiben
    • Sie können Abmachungen treffen, um Ihre Anonymität in den Medien zu wahren. Zum Beispiel keine Bilder von Ihrem Haus oder Ihrer Wohneinrichtung. 
  • Medien auswählen
    • Im Idealfall behandeln Sie alle Medien gleich (Sie geben die gleichen Informationen, das gleiche Foto usw.). Doch die Auswahl der Medien steht Ihnen völlig frei.
  • Organisieren Sie eine Pressekonferenz
    • So wird gewährleistet, dass Sie alle Mitteilungen auf einmal machen können.
    • Ein solches Pressegespräch erfordert eine sehr gute Vorbereitung.
    • Sie können den Journalisten vorher mitteilen, auf welche Fragen Sie nicht antworten möchten.
    • Sie können auch einen Text vorbereiten und vorlesen (lassen).
  • "Pool-System"
    • Damit Ihnen die Begegnungen mit Reportern nicht zu viel werden, können Sie einem Fotografen und einem Journalisten einer Presseagentur erlauben, Bilder und Informationen in den Medien zu verbreiten. Belga ist die belgische Presseagentur. Es gibt auch einige Fotoagenturen.
  • Nachlesen
    • Entscheiden Sie, ob Sie den Artikel vor Veröffentlichung noch nachlesen möchten.
    • Hier müssen Sie schnell reagieren können. Journalisten arbeiten unter Zeitdruck; Sie müssen Änderungen sehr schnell mitteilen.
  • Kinder
    • Für Reportagen über Kinder gelten Sonderregeln und strenge Gesetze. Kinder dürfen beispielsweise nicht ohne Zustimmung abgebildet oder mit vollständigem Namen genannt werden.
    • Kinder und Jugendliche sind besonders verletzlich.

Diese Erfahrung war der Grund dafür, weshalb ich so reagiert habe: Ich habe mich mit der Familie beraten und unsere Mitteilung gut vorbereitet. Es ist sehr wichtig, dass man das, was man sagen möchte, vorbereitet. Zudem habe ich viele Journalisten an die Staatsanwaltschaft oder an den Pressedienst des Zivilschutzes verwiesen.

Ich habe die Journalisten ihre Arbeit machen lassen, denn sie haben ein Recht auf Informationen. Außerdem kann eine komplette Nachrichtensperre mit Risiken verbunden sein. Damit könnte man nämlich den Eindruck erwecken, dass man etwas zu verbergen hat. Aber andererseits bin ich nicht Zeuge des Unfalls gewesen: Ich konnte also nicht sagen, was geschehen ist oder wie es geschehen ist. Und ich wollte auch nichts sagen, um zu vermeiden, dass meine Worte falsch gedeutet wurden. Für die Kommunikation über die Fakten waren andere Menschen zuständig.

Ich habe den Journalisten wohl zwei Fotos besorgt, und zwar solche, die meinen Bruder so zeigen, wie er war: ein tüchtiger Arbeiter, aber auch jemand, der gerne reiste und die Natur liebte.

Philippe, Zwillingsbruder von Olivier Rouxhet, Taucher beim Zivilschutz. Er starb während eines Rettungseinsatzes.           

Im Falle von Beschwerden

Ab und zu treten Probleme auf: Fakten werden falsch wiedergegeben, es werden Worte veröffentlicht, die Sie nicht gesagt haben usw.

  • Sie können eine Richtigstellung verlangen: von dem Journalisten selbst oder per Einschreiben an den Chefredakteur.
  • Sie können eine Beschwerde an den Presserat richten. Der Presserat ist eine unabhängige Einrichtung, die Beschwerden der Bevölkerung über Praktiken der Medien behandelt und über die Berufsethik wacht. Beschlüsse des Presserates werden von den Medien sehr ernst genommen.
  • Bei ernsthaftem Schaden können Sie vor Gericht gehen und eine Richtigstellung oder Schadenersatz einfordern.

Eine einzige Zeitung hat bei meinen Eltern angerufen. Da ich jahrelang in der Medienwelt gearbeitet habe, kannte ich den Chefredakteur. Ich habe ihn sofort angerufen und gefordert, dass meine Eltern in Ruhe gelassen werden. Und das haben sie auch getan. Aber ich bin mir bewusst, dass die wenigsten einfach so einen Chefredakteur anrufen können. Eigentlich kann man die Berichterstattung in den Medien nicht kontrollieren. Man ist dermaßen in ein Gefühlschaos gestürzt, dass man sich nicht auch noch damit beschäftigen will und kann.

Guy Storm, Vater von Vicky. Sie starb beim Einsturz ihres Appartementhauses nach einem Gasleck.